Leon Schidlowsky

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Prof. (emeritus) Leon Schidlowsky

Biographie

Chile 1931-1968

Der Komponist und Maler Leon Schidlowsky ist am 21 Juli 1931 in Santiago de Chile geboren.
Seine Schulausbildung macht er im Instituto Nacional. Im Conservatorio Nacional der Universität Chiles lernt er zwischen 1942 und 1948 Klavier bei Professor Roberto Duncker. Später lernt er Komposition bei Juan Allende-Blin und Fré Focke. Parallel dazu studiert er Psychologie und Philosophie an der Universität Chiles. Zwischen 1953 und 1954 studiert er an der Nordwestdeutsche Musikakademie Detmold (später Hochschule für Musik Detmold) in Deutschland. Nach seiner Rückkehr nach Chile, tritt Leon Schidlowsky der zeitgenössische Musikgruppe Grupo Tonus bei, dessen Direktor er zwischen 1958 und 1959 ist. „Nacimiento“ von Leon Schidlowsky aus dem Jahr 1956 gilt als erstes Elektroakustisches Werk Lateinamerikas. 1961 wird Schidlowsky Direktor der Bibliothek des Instituto de Extensión Musical der Chilenischen Universität. Zwischen 1961 und 1963 ist er auch Generalsekretär des chilenischen Komponistenverbandes. Von 1963 an wird Schidlowsky für drei Jahre Direktor des Instituto de Extensión Musical. 1965 wird er Professor für Komposition am Conservatorio Nacional der Universität Chiles. 1968 nimmt er am „Festival der Drei Welten" in Merida, Venezuela teil, mit Vorträgen und Diskussionen zusammen mit den polnischen und italienischen Komponisten Krzysztof Penderecki und Luigi Nono. Ende des gleichen Jahres bekommt Schidlowsky ein Stipendium von der Guggenheim Stiftung um eine Oper zu schreiben. Das führte zu einem Aufenthalt in Deutschland.

Israel 1969-2017

1969 wird er Professor für Komposition und Musiktheorie an der Samuel Rubin Musikakademie der Universität von Tel Aviv ernannt. 1979 erhält er ein sabbatisches Jahr, das er in Hamburg verbracht hat. In verschiedenen Epochen bekam Schidlowsky Stipendien vom DAAD oder verbrachte Zeiträume in Berlin (z.B. 1980-81; 1992-93; 1999-2000), wo er sich der Komposition und der Malerei widmete.
1999 stibt in Berlin seine Frau Susanne, die in Tel Aviv beerdigt wird.
Leon Schidlowsky nahm an verschiedenen Musikfestspielen in Amerika und Europa teil und bekam mehrere Preise, z.B. den ersten Preis für den Wettbewerb anlässlich des 60. Jubiläums des israelischen Philharmonischen Orchesters mit seinem Werk Absalom und den Acum-Preis für sein Lebenswerk, der vom israelischen Komponistenverband vergeben wird. Er bekam die Engel-Auszeichnung für die Originalität seiner Werke und die Erforschung der jüdischen Musik, vergeben von der Stadt Tel Aviv im Juni 2007.
Aus Anlass zu seinem 75. Geburtstag wurde er in Tel Aviv und in Berlin geehrt wo drei CDs mit seiner Musik veröffentlich wurden. Zu den Aufnahmen seiner Musik gehört insbesondere eine des Konzerts zu seiner Ehre im September 2006 (zu bestellen bei ingo.schulz@emmaus.de).
Am 21. August wurde in Santiago de Chile bekannt, dass Leon Schidlowsky den Nationalpreis für Musik 2014 erhalten hat, was mit zahlreichen Würdigungen in Artikeln und Interviews in der lokale Presse begleitet wurde. Im Dezember 2014 erhielt er den Preis unter der Teilnahme der Präsidentin Michelle Bachelet, des Bildungsministers Nicolás Eyzaguirre Guzmán, die Ministerin des Consejo Nacional de la Cultura y las Artes (CNCA) Claudia Barattini und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Präsidentenpalast La Moneda in Santiago de Chile.
Leon Schidlowsky hat über 50. Jahre verschiedene Kompositionskurse in verschiedenen Ländern gehalten und hat in Israel eine Generation von Komponisten ausgebildet und beeinflusst.
Leon Schidlowsky starb am 10. Oktober 2022 in Tel Aviv.

Werke

Seine Werke wurden in verschiedenen Länder aufgeführt, wie z.B. in Deutschland, Argentinien, Chile, USA, Frankreich, Holland, England, Israel, Italien, Venezuela, Uruguay, Philippinen und durch verschiedene Orchester unter Dirigenten wie Aldo Ceccatto, Agustín Cullel, Errico Fresis, Clytus Gottwald, Robin Griton, Choo Hoey, Juan Pablo Izquierdo, Erhard Karkoschka, Herbert Kegel, Lukas Foss, Juan Matteucci, Zubin  Mehta, Hermann Scherchen, David Serendero, Ingo Schulz, Victor Tevah und Klaus Vetter.
Als Bewunderer von Schönbergs Musik begann Schidlowsky seine Laufbahn als Komponist nach der musikalischen Tradition der Zweiten Wiener Schule. Später übernahm er serielle Techniken und experimentierte mit freien Klangmöglichkeiten (Atonalität, Aleatorik, graphische Notation) – stets im Verständnis, dass Musik über das künstlerisch Absolute hinaus eine tiefere Bedeutung hat und dem Menschen einen Weg zu sich selbst eröffnen kann (Schidlowsky sagt: „Kunst an sich hat nicht nur eine Bedeutung; in ihr liegen alle Sinne, alle Fragen, alle Antworten. Ich glaube, dass die Kunst ein Weg zu uns selbst ist.").
Schidlowsky schreibt dramatische und eindringliche Werke wie die Orchesterwerke Caupolicán, Kristallnacht, Invocation, Llaqui, New York, Epitafio para Hermann Scherchen, In Eius Memoriam, Lux in Tenebris, Prelude to a Drama, Absalom oder seine graphischen Werke Misa Sine Nomine, (In Memoriam Victor Jara), Greise sind die Sterne geworden und Deutschland ein Wintermärchen. Seine post-avantgardistische Musik (nach 1983) ist wieder traditionell notiert und von klangvoll atonaler Schreibweise.
Viele der Werke von Schidlowsky verweisen auf seine jüdisch-israelische Identität, auf die Geschichte des jüdischen Volkes, sowie auf sein Interesse und Protest gegenüber der politischen und gesellschaftlichen Situation in Chile und Lateinamerika. Seine graphisch-musikalischen Werke wurden ausgestellt in verschiedenen Ausstellungen, die mit Konzerten verbunden waren, wie in der Staatsgalerie Stuttgart (1979), dem Kunsthaus Hamburg (1980), dem Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen (1982) und der Stadtgalerie Saarbrücken (1996). Unter seiner Fülle von Werken, treten die drei Opern hervor: Die Menschen (1969, Oper in 4 Akten, nach Walter Hasenclever), Der Dybbuk (1993, Oper in 3 Akten nach Shlomo An-Ski), und Before Breakfast (1998, ein Monodram nach Eugene O'Neill).
Über Leon Schidlowsky haben geschrieben:

Am 24. Juni 2023 fand in der Emmaus-Kirche in Berlin eine Hommage an Schidlowsky, "homage à leon schidlowsky (2031-2022)", mit einem Konzert und einer Ausstellung seiner Bilder statt.

-Der chilenische Dichter Pablo Neruda über Caupolicán, die Vertonung des Gedichtes aus seinem bekannten Buch „Großer Gesang”: "Meiner Ansicht nach, ist es eine Komposition von außerordentlicher Bedeutung und großer Schönheit."
-Der Dirigent Hermann Scherchen in einem Brief an Leon Schidlowsky aus Anlass der Uraufführung von Llaqui durch das Radio Symphony Orchestra Lugano unter seiner Führung: "Ihr Werk hat Gesicht. Es ist leidenschaftlich hart und erregt. Eigentlich gehört es ganz in die starke expressionistische Welt".
-Der Dirigent Hermann Scherchen in einem Brief an dem russisch-französisch Literat, Musikwissenschaftler und Musikschriftsteller Pierre Souvchinsky, 13. März 1965: „ gestern habe ich hier das erste wirklich jetzige Werk uraufgeführt. Ein kompromisslos hartes Stück vor einem normalen Radiopublikum, das die Gewalt des Stückes mit Enthusiasmus quittiert hat: (Llaqui) Elegie auf den Tod (Mord ?) eines jungen peruanischen Dichters (Javier) Heraud) von Leon Schidlowsky. Ich bin stolz darauf, ebenso wie ich stolz sein kann, Xenakis „ins Leben gerufen“ zu haben. Plötzlich erweist es sich, daß Boulez, Nono, Stockhausen,  ja zum Teil auch Xenakis von den neuen Mitteln leben…. dass sie aber eigentlich der Ästhetik und Eitelkeit von Gestern verhaftet sind. Mit einem Wort, dass sie nicht der Ausdruck unserer furchtbaren Tage sind. Schidlowsky ist wie ein Elementarereignis über die Hörer gekommen. Wieder durfte ich eine Türe aufmachen und noch immer ist meine Sensibilität für Werdendes lebendig wie 1903 (mit) Mahler / 1908 (mit) Schoenberg und dann für Webern, Strawinsky, Bartok, Prokofjew und den anderen Wegpfeilern".
-Der Musikkritiker und Musikwissenschaftler H. H. Stuckenschmidt in seinen Erinnerungen „Zum Hören geboren” über die Uraufführung von New York beim III. Musik-Festival in Caracas, 1966: "Am überzeugendsten wirkte ein „New York” betiteltes Stück des Chilenen Leon Schidlowsky mit Ausbrüchen à la Varèse, surrenden, in der Tonhöhe nicht definierten Klängen, Glissandos und einem mächtigen Paukenschwellton".
-Der indische Dirigent Zubin Mehta beschrieb Schidlowsky in seinem letzten Besuch in Chile (August 2013) als einen "wunderbaren Komponisten".
-Der chilenische Dirigent Juan Pablo Izquierdo (Nationalpreis in Musik 2012) bezeichnete Schidlowsky in einem Konzert, in dem Musik des Komponisten aufgeführt wurde, als "eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Musik in Chile".

Archiv

León Schidlowskys Manuskripte (Partituren sowie musikalische Grafiken und andere Materialien) werden vom Archiv der Akademie der Künste, Berlin, in ihrem León-Schidlowsky-Archiv aufbewahrt, siehe:
www.archiv.adk.de/bigobjekt/38158